12
Aug
2011

Alte Saecke, lachende Affen und Ragusa

Als die Alte Saeckin heute von der Krankengymnastik und vorfestlichen Einkäufen zurückkehrte, geschah Wunderliches. Kaum war der Fahrradhelm abgesetzt, die Satteltaschen auf den Küchentisch gewuchtet, und die Regenjacke aufgehängt, setzte sich das Gefühl fest, beobachtet zu werden. Sie kennen das bestimmt auch, so ein komisches Gefühl, als müsse sich jeden Moment eine, wie auch immer gesinnte, Hand auf die erwartungsvoll hochgezogene Schulter legen. Aber sie legte sich nicht, die Hand, und kurz darauf hatte die Alte Saeckin den Beobachter entdeckt. Es handelte sich um einen breit grinsenden Schimpansen! Das heißt, eigentlich nur um den Kopf des Tieres. Dieser Kopf war in glänzendem Druck auf einen ansonsten tomatenroten, ziemlich großen Kinderball aufgebracht. Der Kopfball lag auf dem Wellendach des Holzschuppens und sah aus, als würde er woanders dringender gebraucht. Im Nachbarhof waren die Schweizer Kinder des alten Nachbarn dabei, das Haus ihres nun pflegebedürftigen Vaters auszuräumen. Klopfen, sägen, werkeln, dazwischen das Lachen der Urenkel. Sicher war der Ball von dort herüber geflogen. Bewaffnet mit einem langstieligen Besen versuchte die Alte Saeckin des Affenballes habhaft zu werden. Die Alte Saeckin legte sich ins Zeug, mit einiger List gelang es, trotz des sich sträubenden Wanderfreundes, den Gegenstand des Begehrens in die Hände zu bekommen. Zielbewusst und wurfkräftig wurde der Ball altsaeckischerseits in den Nachbarhof befördert.
"Do ischt är wieder, do ischt är wieder", freuten sich die Schweizer Zwerge und die Alte Saeckin zog zufrieden ab.
Keine fünf Minuten später klingelte eine hellblonde, dreiköpfige Schweizer Abordnung (3, 6 und 8 Jahre) an der Tür der Alten Saeckin. Der größere der beiden Buben hielt ihr eine Tafel Ragusa entgegen.
"Do, des ischt von där Oma, und Danckeschön auch soll ich sagen, für dassd Sie den Ball gäbe habe", deklamierte er mit großem Ernst, einiger Wichtigkeit und wunderbarem Schweizer Zungenschlag.
Das Mädchen, die Älteste des Kleeblatts, hatte das Lächlen übernommen und machte in Tat und Wahrheit einen, schon längst ausgestorben geglaubten, Knicks.
Am Ende strahlten alle drei noch einmal vollsonnig zur Alten Saeckin empor und hüpften dahin zurück, von wo sie gekommen waren.
In der Küche wies die Alte Saeckin den drei oder vier Rührungstränchen den Weg in ein Papiertaschentuch, bettete die kostbare Tafel in das Naschfach und machte sich lächelnd und vor sich hin summend ans Einräumen der Einkäufe.
2577 mal gelesen
Eugene Faust - 12. Aug, 13:18

Ha, des isch wia a Szene aus eme alda Film. : )

schreiben wie atmen - 12. Aug, 13:49

Ja, es war wirklich fast ein anachronistisches Erlebnis, dennoch "erlag ich dem Liebreiz des Kinderlachens", und zwar gerne.
Danke auch für das schöne Bildchen - wissen Sie zufällig, welcher Künstler dafür den Pinsel schwang?
Eugene Faust - 12. Aug, 13:53

La révérence von William Adolphe Bouguereau
la-mamma - 20. Aug, 11:00

schön, wenn kinder so antiquiert wohlerzogen sind. ich muss ja schon froh sein, wenn ich die namen der mächen, die bei uns ein- und ausgehen, erfahre. und geknickst hat überhaupt noch nie eine!

schreiben wie atmen - 20. Aug, 15:51

Na dann: ab in die schöne Schweiz mit den unverschämten Dingern.
Ich fürchte die junge Dame vor meiner Tür wird sich in wenigen Jahren das Knicksen auch zur Gänze abgewöhnt haben - wies halt so geht im Leben ...
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