Alte Saecke und ein neues Jahr

Es ist wieder passiert. Dabei habe ich mir so fest vorgenommen, dass mir so etwas nicht noch einmal vorkommt. Alles war wunderbar geplant und vorbereitet. An diesem Silvester würde es ihm nicht gelingen. Ich hatte alle Fenster verriegelt, sogar die Abzugklappe des Kaminofens hatte ich auf ZU gestellt, um jede Möglichkeit auszuschließen.
Zur Tür hinein gefälligst! Anständig und wie es sich gehört, und sich in der Wohnung drinnen geordnet an dem ihm bestimmten Platz setzen. Jawohl, so wollte ich es haben.
Immerhin hat unsereins mittlerweile ein Alter erreicht in welchem dieses wilde ungeordnete Eindringen in den persönlichen Lebensraum weder spaßig noch erwünscht ist. Man weiß ja auch nicht immer gleich, was sich da so ungefragt und uneingeladen einnistet.
Nicht, dass man nicht gastfrei wäre, bei uns hat noch jeder nette Mensch ein Schlafplätzchen gefunden, wenn er in Not war. Aber - siehe oben - ordentlich durch die Tür getreten, auf einen hübschen PLatz am Küchentisch komplimentiert, höflich und freundlich nach dem Woher und Wohin befragt. Nicht einfach so mir nix dir nix reingelümmelt, sich überall breitgemacht und dann ein geschlagenes Jahr einfach uneingeladen dageblieben und rumgehangen. Neee, so was vertrag ich einfach nicht mehr.
UNsere Wohnung glich also einem Hochsicherheitstrakt. Silvester mochte kommen, ich war gerüstet wie nie zuvor.
Und Silvester ließ sich nicht lange bitten. Es kam, brachte das übliche Silvesteressen und -trinken mit sich. Auch allerlei Nachtgedanken ans alte Jahr, sowie eine Menge guter Vorsätze von denen etwa zehn Prozent eine realistische Überlebenschance haben. Spannender als Bleigießen ist die bange Frage, welche zehn Prozent es am Ende geworden sein werden.
Pünktlich fünf vor Zwölf strömten wir hinaus auf die Straße. Zuvor hatte ich mich nochmal vergewissert, dass alles abgedichtet und zugeriegelt war. Die Wohnungstür schloss ich zweimal ab, das Kopfschütteln der anwesenden Freunde ertrug ich mit Gleichmut. Dieses Silvester nicht! Das hatte ich mir geschworen! Dafür war ich zu manchem Opfer bereit.
Dann kam alles wie erwartet. Sektgläserklingklang mit der Nachbarschaft, Feuerwerk aus AH und OH und Leuchtraketen, hektisch furzenden Krachern und rot, grün oder gelb pfusenden Brandhummeln die sich im Kreis drehten.
Händereibend kehrten wir aus der Kälte zurück. Ich schloß die Wohungstür auf. Zuvor drehte ich mich um, nein, keiner da, nichts. Nur kopfschüttelnde Freunde die amüsiert oder mißtrauisch guckten.
Nun gut, ich würde ihm dann eben später Einlass gewähren. Dieses Mal hatte ich gesiegt, da war ich mir ganz sicher.
Aber was soll ich sagen? Als ich die Wohnung betrat war es sofort klar, dass ich genauso unterlegen war wie all die Jahre zuvor. Es war irgendwie herein gekommen. Keine Ahnung wie. Es hing in den Gardinen, fläzte auf dem Sofa, hockte auf dem Küchenstuhl und unter der Spüle, ja sogar auf der Toilette hatte es sich schon breit gemacht. Meine Freunde trösteten mich obwohl sie offensichtlich nicht begriffen, was mich zum Weinen brachte. Komisch, als hätten sie es gar nicht gemerkt. Da war es tatsächlich schon wieder vor mir in meine Wohnung eingedrungen, hatte meinen persönlichen Lebensraum okkupiert und ich wußte, ich würde es nun zwölf Monate lang nicht mehr loswerden können, dieses blöde 2008!
schreiben wie atmen - 14. Jan, 17:11
738 mal gelesen
endlosfaden (Gast) - 19. Jan, 01:47
Liebe Säckin,
da warst du so gut vorbereitet, geschützt und einbruchgesichert - und dann doch überlistet worden. Tja, da wird dir also nichts andere übrig bleiben, als dieses vorwitzige Monster handzahm zu machen.
Viele Erfolg mit deinem neuen Haustier :-)
Endlosfaden
Viele Erfolg mit deinem neuen Haustier :-)
Endlosfaden
der alljährliche muff
an tagen wie silvester ignoriere ich ihn bewußt, denn ich will ihm seinen triumph nicht gönnen. vielleicht sucht er sich eines tages einen anderen, wenn ich ihm zu langweilig werde. diese gedanken muß ich ihm natürlich verheimlichen, sonst sitzt er spätestens am nächsten tag feixend in der ecke und sagt mir mal wieder, wie lächerlich er mich findet.
beim muff hilft nur ignoranz. vorm spiegel schaue ich nicht genau hin, sonst taucht er auf. ich mache zumindest so, als ob ich nicht genau hinschaue. umkleidekabinen in kaufhäusern sind tödlich. mit dem muff auf 50 quadratzentimetern zu sein, führt zwangsweise zu traumata. wie gesagt, ich überlebe das nur, weil ich nicht so genau hinschaue. ich mache einfach so, als wäre ich es nicht, den ich mit den neuen jeans erblicke; und ich komme zu dem schluß, dass die person im spiegel unmöglich diese jeans kaufen wird - ich stehe quasi nur beratend neben mir. mit dieser tacktick trickse ich den muff zwar nicht ganz aus, aber ich verlasse eventuell lebendig das kaufhaus ... "hehehe", lacht der muff dreckig, "so kommst du nie zu ein paar jeans." ich trete auf die fußgängerzone, betrachte meine mitmenschen und frage mich, wie sie es schafften, hosenkäufe erfolgreich zu überleben. muß man dazu einfach in den sauren apfel beißen?
oder haben sie einen weniger aufdringlichen muff? oder eine bessere tacktick?
liebe alte säckin, es tut mir sehr leid, dass dir auch 2008 dein muff erhalten blieb. du hast es immerhin versucht, ihn auszuschließen. viele menschen, so beschleicht mich oft das gefühl, leben gar nicht in solchem zwist mit ihrem muff. darum auch ihr unverständnis. nur empfindsame seelen wie wir spüren den muff als echten plagegeist, der sich bei uns regelmäßig einnistet, uns verhöhnt und nicht von uns abläßt. er ist der dämon, der da ist, weil wir da sind. er ist der schatten der seele ... der schatten ist dann am kleinsten, wenn wir am besten gar nicht nachdenken. menschen, die nicht viel nachdenken, leben seelisch gesehen auf dem äquator. menschen, die wie wir viel nachdenken (und ich bin sicher, du denkst viel nach), leben seelisch gesehen in den breiten des muffs.
schaue aus dem fenster, alte säckin.
überall nichts als grauer muff!